Samstag, 26. Mai 2012

George Dickel No. 12 (45% Vol.)

Ich glaube, die drei Whisk(e)ys, die es so gut wie in jeder Kneipe und Bar auf GOttes schöner Erde geben dürfte (außer vielleicht in Onkel Osamas Haus der Abstinenz), sind Johnnie Walker Red Label, Jim Beam White Label und Jack Daniel's No. 7. Von allen dreien würde ich auch den Letzteren im Zweifelsfall eher bevorzugen. Jack Daniel's ist ja bekannt durch seine Fernsehwerbespots, in denen in der Brennerei in Lynchburg seit Jahren die Zeit stillzustehen scheint und sich die Lagermeister im Schaukelstuhl die Langeweile vertreiben. Dieses Image hat die Firma über die Jahre geschickt aufgebaut und ist damit sehr erfolgreich - auch wenn es mit der Realität natürlich wenig gemeinsam hat. Aber immerhin: wenn man nach Lynchburg fährt, kann man tatsächlich noch die alte Brennerei sehen, in der 1866 alles begann. Jack Daniel's ist heute der prominenteste Vertreter des Tennessee Whiskey, einer eigenständigen Sorte, die - was die Bekanntheit angeht - hinter dem Kentucky Bourbon doch etwas zurückfällt. Was den Tennessee Whiskey zumindest in der Außenwahrnehmung von anderen Whiskys unterscheidet, ist das sogenannte Charcoal Mellowing, auch Lincoln County Process genannt. Bei diesem Verfahren wird der Alkohol vor der Abfüllung durch mehrere Schichten Holzkohle, welche in der Regel aus Zuckerahorn gewonnen wird, gefiltert. Dies soll ein weicheres, ausbalancierteres Endprodukt ergeben. Allerdings ist das Charcoal Mellowing keine gesetzliche Vorgabe, die erfüllt sein muss, um einen Whiskey Tennessee Whiskey nennen zu dürfen. Es gibt nur eine Klarstellung innerhalb des NAFTA-Vertrags, die besagt, dass Tennessee Whiskey in Tennessee hergestellt worden sein muss. Ebenso gibt es auch Kentucky Bourbon, der holzkohlegefiltert ist, ohne dass auf der Flasche besonders darauf hingewiesen wird.
 
Heutzutage gibt es nur noch vier Brennereien, die Tennessee Whiskey herstellen. Neben der universell bekannten Jack Daniel's sind dies Collier and McKeel, Prichard's und George Dickel. Als kleine Notiz zum oben Beschriebenen sei gesagt, dass anscheinend die Firma Prichard's ihren Tennessee Whiskey nicht dem Charcoal Mellowing unterzieht. Zur heutigen Verkostung spreche ich aber über eine andere, dem Laien kaum bekannte Brennerei, nämlich George Dickel. Die Destillerie geht zurück auf einen Mann namens - naja - George Dickel, der in einer Siedlung namens Cascade Hollow, nahe Tullahoma, in den späten 1860ern einen Gemischtwarenladen betrieb. Diesem fügte er 1870 eine Whiskeydestillerie hinzu. Anfang des 20. Jahrhunderts war man bereits die größte Brennerei Tennessees. Aber die Prohibition, erst die im Bundesstaat, dann die im gesamten Land, versetzte der Firma den Todesstoß. Ab 1919 gab es von hier keinen Schnaps mehr. Erst 1958 erbaute man eine neue Produktionsstätte, nur wenige Meilen vom Konkurrenten in Lynchburg entfernt. Seit 1964 firmiert man wieder unter dem Namen George A. Dickel. Die Marke gehört mittlerweile zum Giganten Diageo.

Zwei Dinge machen den Tennessee Whiskey von Dickel besonders: erstens schreibt sich das Produkt seit eh und je nicht Whiskey, wie in den USA üblich, sondern Whisky, wie in Schottland. Der Legende nach deshalb, weil George Dickel der Ansicht war, sein Whiskey brauche den Vergleich mir den besten schottischen Whiskys nicht zu scheuen. Zweitens wendet Dickel zwar ebenfalls den Lincoln County Process an, unterscheidet sich aber von der Konkurrenz zusätzlich dadurch, dass der Whisky vor der Holzkohlefiltration noch kaltfiltriert wird, wodurch mehr Fettsäuren abgeschieden werden sollen. Das Firmenportfolio umfasst den Cascade Hollow (einen Whiskey, der dem ursprünglich in den 1870ern hergestellten Produkt nachempfunden sein soll), den George Dickel No. 8, den George Dickel No. 12, sowie den Barrel Select (zwischen 10 und 12 Jahren gereift). Das Flaggschiff der Linie ist der No. 12, welcher mehrere bedeutende Preise gewonnen hat und von Jim Murray, einem der führenden Whisk(e)yexperten der Welt, unter die zehn besten Whisk(e)ys überhaupt gezählt wird.

Aussehen und Aroma: Die Flasche hat ein klassisch zu nennendes Label, wie aus einem Western, auf alt gemacht. Der Whisky selbst scheint mir recht dunkel, mit einem Hauch von Rotgold. Er ist extrem aromatisch, die erste Nase ergibt sofort reiche Eindrücke von Baumharz und Ahornsirup, eventuell etwas Getreide.

Geschmack: Der George Dickel No. 12 ist unheimlich komplex, mit einem kräftigen, dennoch weichen Antritt. Er ist süßlich, mit Noten von Ahornsirup und Eichenholz, und sehr viel Gewürz (Nelken, Zimt) im Mittelteil. Insgesamt angenehm mild, dennoch ausdrucksvoll.

Abgang: Ziemlich lang und nachhallend.

Fazit: Ein wunderbarer Whiskey, der seine Preise und Lobreden völlig zu Recht bekommen hat. Eigentlich möchte ich, seit ich ihn kenne, gar keinen anderen amerikanischen Whisky mehr trinken. Absolut empfehlenswert, leider wirklich nicht ganz preisgünstig (um die 46,- EUR online).

Tipp: Um Himmels willen pur genießen. Wer diesen Whiskey mit Cola verdünnt, gehört ausgepeitscht. Einen kleinen Schuss (stilles!) Wasser verträgt er gut, er wird dann noch weicher und gewinnt noch etwas mehr Süße. Wer es kräftiger mag, kann auch zum George Dickel No. 8 greifen, dieser hat zwar weniger Alkohol, erscheint jedoch etwas ruppiger und kostet ein ganz klein bisschen weniger.

Der nächste planmäßige Beitrag erscheint am 2. Juni 2012.

Picture Credits: "George Dickel No 12": KRT



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