Samstag, 21. Juli 2012

Johnnie Walker Gold Label 18 J. (40% Vol.)

Ungern nehme ich das Ergebnis der Verkostung vorweg - aber dies ist die Geschichte einer großen Enttäuschung. Sie beginnt vor etwa einem Jahr in Rom.

Meine Frau und ich saßen eines warmen Augustabends im Al Braciere an der Via della Chiesa Nummer 12 (ein Restaurant, welches man guten Gewissens empfehlen kann, übrigens) und verdauten gerade die diversen Gänge, die wir uns einverleibt hatten. Man brachte den Espresso. Man brachte den Limoncello. Man brachte den Whisky. Dieser stand als "Whisky" auf der Karte und wurde mir eiskalt serviert, aber ohne Eiswürfel. Das war natürlich etwas ungewöhnlich ... jedoch when in Rome, do as the Romans do, wie meine Großmutter zu sagen pflegte. Aber die Überraschung war perfekt, als mir ein kühles, wunderbar geschmeidiges, seidiges und honigsüßes Getränk die Innenwände der Kehle netzte. Nun, so sollte man sagen, hättest Du mal am besten gleich die Bedienung gefragt, aus welcher Flasche das Getränk stammte, dann hättest Du's in Deutschland für Deinen Barschrank erwerben können. Schon richtig. Leider erfordern jedoch Gespräche mit Frauen im Allgemeinen und Gespräche mit meiner eigenen Frau im Besonderen in der Regel meine gesamte Konzentration (leider leide ich unter einem gewissen Aufmerksamkeitsdefizit, was Klatsch, Tratsch, Taschen, Schuhe, Juwelen usw. betrifft), so dass ich einfach im Laufe des Abends die entscheidende Frage aus dem Sinn bekam, nämlich die, welcher Whisky es denn nun war.



Zurück in Deutschland war die Ratlosigkeit groß. Ich musste diesen Whisky haben, sofort, für zu Hause. Aber was tun? Im Al Braciere anrufen und fragen? Leider reichen meine Italienischkenntnisse irgendwie nicht aus, ein längeres Gespräch, insbesondere übers Telefon, wo es keine Möglichkeit des Gestikulierens gibt, aufrecht zu erhalten. Die einzig andere Idee: So lange Whiskybeschreibungen lesen, bis eine dabei ist, die zu passen scheint.

Einige Zeit später blätterte ich im Katalog von whisky.de und entdeckte folgende Beschreibung sub voce Johnnie Walker Gold Label:

Auf wenig würzigen Rauch und viel Honigsüße wurde geachtet. Seidig im Geschmack sowie lang und angenehm im Abgang. 
Wäre es möglich? Könnte es tatsächlich sein? Natürlich bemühte ich mich sofort um detailliertere Besprechungen und tatsächlich: "Seidigkeit" und "Honigsüße" wurden allerorten gelobt und bejubelt. Das machte mir wirklich Hoffnung, obwohl ich - wie alle Welt weiß - kein besonderer Fan von Johnnie Walker bin. Den Roten finde ich zu kratzig, den Blauen finde ich überteuert und überbewertet, den Schwarzen ... nun ja, den finde ich gar nicht sooo schlecht, aber das wusste ich damals noch nicht. Außerdem schlägt der Gold Label mit Preisen ab 50,- EUR doch so einigermaßen stark ins Portemonnaie. Was also tun? Es riskieren? Leider gibt es nicht so viele Bars, wo der Goldene angeboten wird, sonst hätte man da ja mal ein Schlückchen probieren können. Tagelang ging ich mit dieser Problematik schwanger.

Schließlich marschierte ich zu meinem Hoflieferanten und kaufte eine Flasche zu 55,- EUR. Da stand sie und glänzte mich an. Hübsch sieht sie aus, eine massive, etwas kantige Flasche, sehr "wertig", in einem luxuriösen goldenen Karton. Wirklich eine Schönheit. Aber sollte ich sie öffnen? Was, wenn es nicht der Richtige ist? Also wartete ich erneut ein Weilchen. Die Lösung kam auf einem Trip nach Amsterdam (nicht auf einem Trip in Amsterdam). Ich schlenderte mal wieder so am Fenster von HP de Vreng auf dem Nieuwendijk vorbei, als mir eine Miniatur des Johnnie Walker Gold quasi ins Auge sprang. Heureka! So konnte man ihn endlich probieren, ohne die große Flasche riskieren zu müssen. Natürlich war der Literpreis für die Miniatur höher als der Literpreis der normalen Flasche, aber was will man machen?

Endlich kam der große Tag. Vorher hatte ich mich noch ein bisschen eingelesen: Beworben wird der Gold Label als der Centenary Blend, denn er wurde zum 100. Geburtstag des Unternehmens im Jahre 1920 kreiert. Es handelt sich um einen Blended Scotch Whisky; neben Malts enthält er also auch Grain Whisky. Allerdings: da er als 18jähriger Blend angesprochen wird, darf der jüngste in ihm enthaltene Malt Whisky laut Gesetz nicht jünger als 18 Jahre sein. Als Lead Whiskys gelten der Cardhu und der Clynelish. Vermarktet wurde er - aufgrund seiner geringen Rauchigkeit - in der Vergangenheit wohl eher auf dem asiatischen Markt.



Anmerkung: Dies ist die Miniatur, nicht die viel schönere Normflasche

Aussehen und Aroma: In der Farbe ist er, wie es seinem Namen geziemt, dunkelgolden mit hellbraunen Nuancen. In der Nase sehr blumig, mit viel Honig und einem dezenten Apfelaroma.

Geschmack: Auf der Zungenspitze findet sich doch ein ganz klein wenig Rauch, sonst tatsächlich recht süß, mit deutlichen Anklängen an Mandelcreme. Leider aber - meines Erachtens - nicht so seidig und cremig wie versprochen, sehr ausdrücklich fand ich auch einige Eichenfassnoten sowie doch etwas Schärfe im Mittelteil.

Abgang: Ein langer Abgang, der aber bedauerlicherweise nicht ganz mild ist, sondern zum Schluss einen deutlichen Nachbrenner zeigt. Dieses wurde durch Zugabe von etwas Wasser (bei 40 Volumenprozent sonst nicht unbedingt angesagt) dann noch etwas angenehmer.

Fazit: Sehr schade, denn dies ist definitiv nicht der Whisky aus Rom, den ich mir so sehr gewünscht hatte. Er ist (für mich) im Ganzen auch eher nicht das, was ich mir vorgestellt habe, denn ich vermisse die angekündigte Seidigkeit und Cremigkeit - falls ich diese Begriffe nicht anders definiere als der Rest der Welt. Natürlich ist der Gold Label kein schlechter Whisky ... aber ob man dafür 50,- EUR ausgeben will, muss, wie immer, jeder selbst entscheiden. Optisch macht er auf jeden Fall etwas her.

Die Geschichte ist damit aber noch nicht ganz zu Ende. Was sollte ich jetzt mit der - nicht angebrochenen - großen Flasche machen? Weiterverschenken? Ich verschenke nicht gerne Whiskys, die mich nicht überzeugen. Es sei denn, jemand wünscht sich genau diese Flasche. Plattfuss fiel als Empfänger aus, er hatte ebenfalls von der Miniatur gekostet und mochte den Gold Label auch nicht so sehr. Also zurückbringen? Aber dann las ich auf mehreren Webseiten, auch in Shops, dass Johnnie Walker empfehle, diesen Whisky eisgekühlt zu trinken! War das des Rätsels Lösung? War das doch mein römischer Freund? Hatte ich ihn nur verkannt, weil ich ihn nicht, wie in Rom, eiskalt getrunken hatte? Sofort nach Hause und den Rest der Miniatur ins Gefrierfach gelegt. Einen Tag später dann die Zweitverkostung ... nein. Definitiv nein. Jetzt zwar weniger scharf in der Mitte, aber viel zu viel Holz. Am nächsten Tag retournierte ich die Flasche meinem Hoflieferanten,

Der nächste planmäßige Beitrag erscheint am 28. Juli 2012.

Picture Credits: "Roma 23" und "JW Gold Label Miniatur": KRT


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